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Kommunikation bedeutet Gemeinsamkeit


4. Luzerner Management Forum für die öffentliche Verwaltung
09. November 2017
Moritz Leuenberger

 

Als ich zu meiner Zeit als Bundesrat gelegentlich in Schulen auftrat, liessen die Lehrer über die Bedeutung der Abkürzung UVEK rätseln.

Die ersten drei Buchstaben, Umwelt, Verkehr, Energie, waren jeweils rasch gefunden. Doch das K bereitete Schwierigkeiten.

-         „Kunst? Kultur, Kompost?“

-         „Beinahe! Sie sind ganz nahe dran. Heiss!“

-         „Katastrophen?“

-         „Richtig!“, habe ich jeweils geantwortet, „K steht zwar für Kommunikation, aber der Unterschied ist meist nicht so gross.“

Sie wissen es: Kommunikation hat schon manche Katastrophe herbeigeführt. Aber sie hat auch manche Katastrophe vermieden, die ohne Kommunikation mit Sicherheit eingetreten wäre.

Um solche Katastrophen zu vermeiden, gibt es zahlreiche Grundsätze, Anleitungen, Positionspapiere über die ideale Kommunikation. Auch im Bundesrat wurde ich von solchen Erkenntnissen nicht verschont:

So wurden mir Grundsätze der Kommunikation von Bundesrat und Behörden in die Hand gedrückt. Dort ist zu finden:

„Aktiv / wahr / frühzeitig, rechtzeitig/ sachlich“ müsse informiert werden, und:

„Emotionen sind bei Betroffenheit oder bei Glücksmomenten angezeigt.“

Daran halten sich die Mitglieder des Bundesrates noch heute strikt. Die Ansprache des Bundespräsidenten zum Tag der Kranken (rire c'est von pour la santé) war also ein Moment der Betroffenheit und des Glücks, zumindest für die folgenden Satiresendungen.

***

Jede Umschreibung guter Kommunikation bleibt Papier,

denn auch der beste Kommunikator wird immer wieder von der Praxis gestraft und erkennt jedes Mal neu:

Er oder sie kann erst hinterher lernen, wie man es eigentlich hätte richtigmachen sollen. Erst die konkrete Anwendung im Einzelfall zeigt, ob der reale Faden dem Strickmuster der Theorie folgen kann oder nicht.

Das liegt an der Unberechenbarkeit darüber,

-         wie das Mitgeteilte aufgenommen, verstanden oder eben missverstanden wird,

-         wie es bewertet wird,

-         wie es weitergegeben wird

-         und insbesondere, wie eine Mitteilung durch die Gegenspieler in Medien und Politik interpretiert oder maliziös verdreht wird.

Wir kennen sie alle, die hehren Grundsätze guter Kommunikation, allen voran die immer wieder beschworene Wahrheit.

-         Bei der „Wahrheit“ bleiben!

Als ob das so einfach wäre.

  • Und wenn ich die Wahrheit nicht kenne?
  • Gibt es immer nur eine Wahrheit?
  • Bin ich nicht zuweilen zur Lüge gezwungen?
    • Muss ich nicht zum Schutze eines fristlos entlassenen Mitarbeiters sagen:

„Im gegenseitigen Einvernehmen zurückgetreten.“

  • Muss eine Regierung bei Lösegeld für Geiseln nicht zur Notlüge greifen?
  • Nationalbank: Als sie im Januar die Bindung des CHF an den Euro aufgab, verteidigte sie noch zwei Tage zuvor den Mindestkurs, obwohl sie intern seit Wochen die Entbindung vorbereitete. Das war eine klare Lüge. Jordan, darauf angesprochen:

„Die Kommunikation eines solchen Ausstiegs ist eine sehr delikate Angelegenheit. Würde man offen kommunizieren, käme es zu spekulativen Attacken auf den Mindestkurs.“ Wie wahr!

-         „Ehrliche“ Kommunikation! Wie ehrlich kann ich im Interesse des Gemeinwesens, das ich vertrete, wirklich sein?

Darf ich keine List in der Kommunikation verwenden, um einem öffentlichen Anliegen zum Durchbruch zu verhelfen?

Obwohl ich also jeder Theorie über Kommunikation misstraue, benutze ich als Hilfsmittel, um über sie geordnet nachzudenken, ein abstraktes Denkmodell, das mir für viele politische Fragen dient, den drei Polen der demokratischen Ethik.

 

Die drei Pole der Kommunikation

Der erste Pol: Ich

Am Anfang ist das Wort. Ich ergreife das Wort. Ich erkläre mich.

 

Der zweite Pol: Du

Ich erhalte eine Ant-Wort, ein Gegenwort. Du und ich tauschen uns aus, erklären uns gegenseitig, versuchen uns zu verstehen, suchen die gemeinsame Sprache, den Dialog mit einem Gegenüber,

-          zum Beispiel zwischen einem Exekutivmitglied und Fachleuten in der Verwaltung,

-         einem Regierungsvertreter in einem Parlament, einer Kommission oder innerhalb des Regierungskollegiums.

Ein Gespräch in einem Interview, ist zwar zunächst auch ein Dialog mit einem Journalisten, doch das Resultat lesen später andere, die beim Gespräch nicht zugegen waren. Das führt uns zum dritten Pol.

 

Der dritte Pol: Er, Sie, Es (Dritte, Andere, Unbekannte)

Nicht immer kann ich mich direkt verständigen. Ich muss mich auch an unbekannte Dritte wenden,

-         an spätere Leser und Leserinnen

-         an Zuschauerinnen oder Radiohörer, die ich nicht vor mir habe, kurz:

-          an die Öffentlichkeit.

Im Gegensatz zum gegenübersitzenden Du sehen und hören wir die indirekten Adressaten nicht unmittelbar.

Wir wissen nicht, wie sie auf eine zweideutige Formulierung reagieren. Wir haben kein Gegenüber, dessen Mimik uns sofort zu einer Korrektur eines Missverständnisses veranlasst und uns so ermöglicht, die Gemeinsamkeit herzustellen.

Wir müssen uns also in Unbekannte hineindenken, uns vorstellen, wie sie wohl reagieren könnte, wenn sie unsere Worte vernehmen. Da sind Missverständnisse geradezu vorprogrammiert.

Bei Twitter ergibt sich dies schon nur aus der vorgegebenen Kürze der Tweeds:

-         Doris Leuthard twitterte nach Charlie Hebdo:

„Satire ist kein Freipass. Aber keine Darstellung, keine Publikation legitimiert Gewalt. Das ist aufs Schärfste zu verurteilen.» 

Wie recht sie hatte! Doch unmittelbar nach dem Attentat ertrug die Öffentlichkeit die Differenzierung, das heisst ihren ersten Satz, nicht. Victor Giacobbo mischte sich als einer der ersten gegen D.L. ein.

Doch auch eine längere Rede schützt nicht vor dem Desaster:

-         NR Fricker von den Grünen, der in einer vorbereiteten Rede sagte:

„Ich kann nichts dafür, aber bei diesen Schweinetransporten kommen mir Bilder von deportierten Juden in den Sinn.“

Das war seine persönliche Assoziation

Durchaus ähnliche Verknüpfungen machten zuvor auch Theodor W Adorno, Isaac B. Singer und der Schriftsteller Noah Harari, alle Juden. Aber die Wortwahl des grünen Nationalrates Fricker führte zu seinem Rücktritt, weil er seine persönlichen Gedanken nicht so zu äussern vermochte, dass sie in seinem eigenen Sinne, im Sinne des „Ich in der ersten Dimension“ aufgenommen wurden.

Er hat nicht an die dritte Dimension, nicht an „er, sie, es“, nicht an die „Anderen“ gedacht.

So gelangen wir vom

-         „Wort“ über die

-         „Ant-wort“ in die dritte politische Dimension der

-         „Ver- ant – wortung“.

Fricker, das war sein Schicksal, sprach subjektiv nachvollziehbare Gefühle, die keineswegs antisemitisch waren, ehrlich aus, aber er tat es verantwortungslos. Verantwortungslos deshalb, weil er nicht an die Rezeption und die Interpretation seiner Worte durch Dritte dachte. Er bezahlte es teuer, zu teuer.

In diesem Sinne rufe ich mir einige Beispiele in Erinnerung und folge den drei Polen.

Zunächst: Jeder dieser drei Pole hat seine eigene Bedeutung und Berechtigung:

Ich ergreife das Wort

(„ich“ kann auch ein Kollektiv, eine Gruppe oder eine Regierung sein)

Meine eigenen Interessen oder diejenigen, die ich vertrete, haben den legitimen Anspruch, zunächst einmal formuliert zu werden, bevor sie dem Dialog standhalten können. Ja, es ist eine Pflicht, den eignen Standpunkt festzulegen und zu formulieren.

Dazu müssen wir allerdings den Inhalt unserer Gedanken genau kennen und wir müssen sie formulieren können. Der Test zeigt sich oft beim Versuch, die Gedanken in Worte zu fassen:

-         Es ist oft wie, wenn wir Musik im Kopf haben, sie aber nicht summen können (Bestellung eines im Radio gehörten Musikstücks in einem CD Laden führt meist zum indignierten Wegdrehen des Kopfes der Verkäuferin, jedenfalls nicht zum gewünschten Musiktitel)

-         Noch schwieriger im Kollegium:

Im BR oft Kompromiss gefunden. Als wir aber an die Formulierung für eine Medienmitteilung gingen, stellte sich heraus, dass wir uns gar nicht klar darüber waren, auf was wir uns eigentlich geeinigt haben.

Daraus folgt:

Je früher, je klarer ich meine Position darlege, desto besser gestalte ich den späteren Dialog mit dem Du.

Der Dialog

Wer den Aufschlag hat, gewinnt meist das Spiel.

  • Interview über persönliche Verhältnisse vor Bundesratswahl im Bund (ich schilderte, auf Ermunterung einer für meine Wahl bangende Journalistin, meine etwas schwierigen persönlichen Verhältnisse ausführlich. die folge: Sie wurden nie mehr Gegenstand auch nur einer Frage eines anderen Journalisten.

Aus der Verteidigung ergibt sich meist eine schwächere Position:

Die Fehler des Zuwartens

  • Bei Zollikermord liess ich mir den ersten Aufschlag nehmen und war dann in Bedrängnis.
  • Bei Einführung der Südanflüge war ich immer nur in der Reaktion und das führte zum eigentlichen kommunikativen SuperGAU in meiner Amtszeit.
    • Bsp: Das vom damaligen Staatspräsidenten verbreitete Gerücht eines angeblicher Opernbesuch nach Vertragsverhandlungen in Deutschland, die ich deswegen abgebrochen hätte: Ich musste kleinlich beweisen, dass ich nicht in der Oper war,
    • Versuch, ich müsse mich am Tag der Verleihung des Ciceropreis mit Kanzler Schröder treffen, was dazu führte, dass Schröder etwas länger in der Schweiz blieb, damit ich den Preis doch noch in empfang nehmen konnte.
  • Diese Gerüchte-Kampagne, gesteuert durch den Flughafen Zürich und alt Botschafter Bohrer, war Teil einer Kaskade.

Der erste Fehler bei den Südanflügen war, die Gegner zu unterschätzen und zu lange unwidersprochen gewähren zu lassen. Ich meinerseits hatte ja einen guten Vertrag und wähnte mich in einer Position, die mir nachträglich recht geben würde (ist heute tatsächlich der Fall; während beinahe zehn Jahre aber nicht).

Aber plötzlich hatten die Gegner das ganze Terrain besetzt. Mein Stab hat zu lange nicht realisiert, was da passiert. Man fand, das seien Zürcher Stürmi. Von Bern aus nahm man das schlicht nicht ernst. Das war ein kapitaler Kommunikationsfehler:

Man darf die andern nie unterschätzen oder gar verachten. Sie haben immer ein bisschen Recht. 

Es ist in der Kommunikation wie beim Mühlespiel: Wenn du nicht aufpasst, hat der Gegner plötzlich die Steine so gesetzt, dass du nicht mehr dazwischenkommst. Dann ist es zu spät. Dann nützt der teuerste Berater nichts mehr.

Statt zuwarten: Vorwärtsstrategie

Daraus habe ich sukzessive gelernt:

Es muss meist sofort kommuniziert werden. Als BR uns ich sofort an einen Katastrophenort.

  • Gotthard noch zögerlich
  • Attentat Zug: sofort
  • Fall C: sobald ich vom Strafverfahren wusste: dies der Öffentlichkeit mitgeteilt, sofort in die Offensive und so konnte er Stelle behalten.
  • Vergleich mit Nef / BR Schmid zeigt, was es für Folgen haben kann, sich den Aufschlag nehmen zu lassen. (bis hin zum Rücktritt eines Bundesrates also)
  • Theresa May kam beim Hochhausbrand in London zu spät

Es geht nicht immer nur um schnelle Reaktion, sondern um die Wahl des richtigen Zeitpunktes (Kairos nicht Chronos)

  • Erkennen, wann ich mit einem Vorhaben auf offene Ohren stosse. Das heisst „Window of opportunity“ nutzen. zB wäre ein Tropfenzählersystem am Gotthard ja schon lange sinnvoll gewesen. Aber erst nach dem Unfall bestand die Gelegenheit, dieses Verkehrsmanagement mehrheitsfähig zu machen und einzuführen. Die Unfälle im Tunnel gingen dann massiv zurück.

Wer den Aufschlag hat, prägt die ersten Worte oder Zahlen. Sie werden meist übernommen. Umso mehr, als heute nicht mehr recherchiert wird. Journalisten sind in ihrem Arbeitsdruck oft Spielball der Interessengruppen, also auch der Amtsstellen. Sie übernehmen unkritisch, was ihnen vorgegeben wird.

Mitteilung und Gemeinsamkeit

„Sich mitteilen“, auch im deutschen: im Wort steckt die Gemeinsamkeit. Die Mitteilung erreicht ihren Zweck erst, wenn sie verstanden und ihr Inhalt „geteilt“ wird.

Das heisst zunächst, sich in die Sprache und Gedankenwelt des Du und der Anderen hineinzudenken. Kommunikation ist auch Dolmetschen, Übersetzen.

Den Symbolgehalt einer Sprache begreifen:

-         Kofi Anan Hände waschen (bat vor einer Rede, die Hände waschen zu dürfen, worauf man ihm eine Schale Wasser brachte und er seine Rede etwas eilig halten musste).

-          Von fachtechnischen Formulierungen in verständliche Sprache. Ein Text des damaligen BUWAL zum Beispiel:

“Wenn das Klima vermehrte Lawinentätigkeit entfaltet, kann es im Schmelzfalle zu Hochwasserfolgen kommen.“

Das bedeutet fragen und nochmals fragen.

Da ist wie die Arbeit des Anwaltes, der einem akademischen Richter die Sprache seines Klienten aus einer anderen Welt erklären muss oder

einem Regierungsmitglied, das fachtechnische Erkenntnisse seiner Ämter in einer Volksabstimmung verkaufen muss. 

-         Viele Beamte haben dann einfach lauter gesprochen, weil sie meinten, ich hätte es akustisch nicht verstanden.

-         Oder die damalige Ausseniministerin hat auf bohrende Fragen nach ihren wahren Absichten einfach deutsch gesprochen, weil sie uns unterschob, wir anderen hätten sie mangels Sprachkenntnisse nicht verstanden.

-          Der Bündnerfleischauftritt von BR Merz war im Grunde genommen nichts Anderes als unterlassenes Nachfragen, denn er hätte diesen Text zuerst selber bereinigen, das heisst übersetzen statt einfach vorlesen sollen.

Kommunikation als Kunst des Übersetzens, insbesondere von Fachwissen.

In einer Demokratie besonders wichtig, weil die Stimmbürger letztlich entscheiden und verstehen müssen, worum es geht.

Die dritte Dimension: Kommunizieren mit der Öffentlichkeit

Schon im Zweierdialog hören wir stets wieder:

„Ich bin missverstanden worden.“ „Du verstehst mich falsch.“ etc.

Wie viel schwieriger ist das gegenüber einem fernen Publikum via Medien, die z.T. gar nicht richtig verstehen oder nicht in unserem Sinn wiedergeben wollen. Die Reaktion kann nur schwierig vorausberechnet werden.

Öffentliche Kommunikation bedeutet Gemeinsamkeit mit Unbekannten.

Ich spreche zu Menschen, die nicht vor mir sitzen, auf deren stirnrunzelnden Fragezeichen ich nicht reagieren kann. Das ist schon in einem „live“ Interview in TV oder Radio schwierig, erst recht aber via Journalisten, welche meine Mitteilung vor der Weitergabe zu einem Artikel verarbeiten.

Aus diesen Gründen ist die Ironie praktisch unmöglich.

Deswegen auch Frage: Wer kommuniziert? Wir haben zum Teil die Taktik gewählt:

-         nicht sofort der BR, es gibt zum Beispiel ein Beamter ein Interview mit der Idee, um den öffentlichen Wellengang erst zu sondieren.

-         Je nachdem konnte dann eine spätere Person (Amtsdirektor, BR) wieder richtigstellen.  (Das waren zwar Bauernopfer, aber die Bauern haben gerne mitgespielt; wir taten es in gegenseitigem Einverständnis; wir wandten diese Methoden vor allem in den bilateralen Verhandlungen mit der EU an, denn dort gab es verschiedene Adressaten, die auch verschieden reagierten.)

Deswegen erfolgt die Vorbereitung für Medienkonferenzen mit eigentlichen Übungsanlagen, mit nasty questions, mit gespielten Dialogen. Geübt wird:

-         Was könnte missverstanden werden?

-         Wie denkt ein Gegner?

-         Gegenrolle einnehmen und durchspielen. Dabei geht es auch um den Inhalt. Gegenrolle heisst wörtlich Kontrolle.

-         Was denkt mein politischer Gegner?

-         Was denkt ein „widerborstiger“ Journalist?

Es ist aber auch dieses ständige sich Ausdenken von nasty questions, die auch krankmachen. Mit der Zeit habe ich dies nicht mehr ausgehalten.

Dennoch ist dieses Vorgehen eine politische Notwendigkeit.

Habe oft erlebt, dass bei sehr gründlicher Vorbereitung überhaupt keine Kommunikationsschwierigkeiten entstanden:

Drei Beispiele:

  • NLR Bericht, den ich nach Überlingen in Auftrag gab: Sehr brisante Feststellung von Mängeln. Indem der Bericht gleichzeitig mit der detaillierten Ankündigung deren Behebung kommuniziert wurde, unterblieb jede Kritik an den vorherigen Zuständen. Das heisst auch: Schon im Auftrag muss die Kommunikation geachtet werden. Hier war es die Abmachung, dass ich vor Fertigstellung des Berichtes die Hauptvorwürfe exklusiv für mich bekomme. So war es möglich, alle Massnahmen innerhalb eines Tages seit Kenntnisnahme des offiziellen Berichtes vorzubereiten und der Öffentlichkeit zu zeigen. (Gegenbeispiel RR Kägi ZH. Er wollte Zustände eines Berichtes zuerst verbessern und erst dann an Ö; an sich sehr löblich aber wurde ihm als Vertuschung vorgeworfen)
  • Keine Konzession an Tele Züri: Minutiöse Vorbereitung: Keine Angriffe. Dagegen völlig vernachlässigt die mögliche Reaktion von Radio Energy: übelste Kampagne von Ringier Medien.
  • Die Intrige, ich müsse das Dossier Energie vom UVEK an das EVD abgeben. Ich erhielt Wind davon. Wäre zurückgetreten, wenn das beschlossen worden wäre. Diesen Rücktritt habe ich bis ins Detail vorbereitet und organisiert: Der Beschluss wurde dann nicht gefällt. Das hatte wohl indirekt mit dieser kommunikativen Vorbereitung etwas zu tun: Indirekte psychologisch Wirkung auf mich selber, Selbstsicherheit im Auftreten.

Ein gemeinsamer Nebeneffekt solch sorgsamer Vorbereitung ist:

Man fühlt selbstischer im Auftreten, was gegen die permanente Auseinandersetzung mit politischen Gegnern ein wichtiger psychologischer Trumpf ist.

Kommunikation bedeutet auch Gemeinsamkeit von Unwissenheit und Zweifeln. Auch sie sollen mitgeteilt werden.

-         Ich weiss in einer Ansprache nicht mehr weiter. Offen sagen: Oh, Ich habe den Faden verloren

-         Ich stecke in einem Dilemma (Beispiel bei Velohelmpflicht): Offen zum Dilemma stehen, damit alle das nachvollziehen können (statt selbstsicher zu tun)

-         Falls keine Antwort möglich: Die Verweigerung erklären, Wieso sage ich nichts. Nicht einfach schweigen!

 

Kommunikation als Waffe, listige Kommunikation

Habe jetzt nur von Reaktionen gesprochen. Es geht aber zuerst um die Aktion: Zweck der Kommunikation besteht aber meist nicht darin, sich zu erklären, sondern dazu, ein Anliegen durchsetzen. Wer das Einverständnis oder die Unterstützung anderer Menschen erreichen will, bedient sich nicht nur der lauteren ratio, sondern auch der Verführung, und auch der List. Die List ist eine Kunst des Umgangs zwischen Menschen und so ist Kommunikation auch die Kunst der List. Das ist nicht Lüge und nicht Manipulation.

  • Wortwahl:
    • Von EMG zu StromversorgungsG (nicht nur Name, sondern auch Inhalt),
    • Von Vision zero zu Via sicura
    • Von Langsamverkehr zu Fussgänger- und Veloverkehr
    • Vom Gesetz zu einer CO2 Abgabe zum Klimagesetz

 

  • Spin (Kopenhagen habe ich positiv dargestellt, damit die Bemühungen in der Schweiz nicht nachlassen und das Scheitern nicht als Ausrede gegen eine CO2 Abgabe genutzt wird),
  • Im Zweifelsfall: raus. Wir haben zum Teil unbequeme, für uns heikle und gefährliche Tatsachen einfach ins internet eines Amtes oder des Generalsekretariates gestellt. Die Texte dort sind derart umfangreich, dass das niemanden bemerkt. glaubte dann ein Journalist, er hätte eine bombe entdeckt, antworteten wir: ist eine alte Sache , steht schon längst auf unsere Homepage: so geschah nichts. 

Prägt der Inhalt die Kommunikation oder die Kommunikation den Inhalt?

Form follows function oder umgekehrt? 

Bei der Redaktion eines Entscheides kann sich zeigen:

Das kann man ja gar nicht erklären. Wenn ein Entscheid sich als nicht vermittelbar, als nicht kommunizierbar erweist, wird er in Wiedererwägung gezogen oder angepasst. 

Auch deswegen Regierungssprecher (in) an Regierungssitzungen.

Deswegen war im UVEK stets ein Vertreter des Pressedienstes in den Ämtern, wenn es um ein neues Gesetz ging.

Es wird immer wieder über die Aufrüstung der Kommunikationsstäbe geklagt. Diese dienen aber auch der stetigen Legitimation, der Schärfung und der Infragestellung der inhaltlichen Arbeit in allen Abteilungen.

Es führt dazu und es soll dazu führen,

-         dass die Mitarbeiter, die von der Kommunikation kommen, sich inhaltlich an den technischen Fachfragen beteiligen und

-         dass die Fachleute sich mit der öffentlichen Erklärbarkeit ihrer Arbeit beschäftigen.

-         Das VBS nahm an Drohnentests in den Golanhöhen teil. Diese Verletzung der Neutralitätsgrundsätze wurden jetzt als „Kommunikationspanne“ bezeichnet. Gemeint ist eine interne Panne: Die Verantwortlichen sollen die Neutralitätspolitik nicht gekannt haben.

Deswegen ist es richtig, wenn die Kommunikationsleute schon bei Geburt eines Gesetzes dabei sind, um Akzeptanz und Verständlichkeit zu überprüfen, weil eine Vorlage ja dann auch dereinst in Volksabstimmung zu überstehen hat.

Dass lange Zeit der CEO eines Bundesunternehmens unter einer Million bezog, ist einzig auf die Kommunikationsabteilungen zurückzuführen, die vor der empörten Öffentlichkeit gewarnt haben, denn die Million ist eine Schallgrenze in der öffentlichen Diskussion; inhaltlich ist der Unterschied zwischen 999'000 und 1'000'001 minim.

 

Doch das birgt Gefahren:

Finger im Wind des Opportunismus

Eine unangenehme Kommunikation kann zur Unterlassung einer inhaltlich wichtigen und richtigen Massnahme führen:

Das beginnt im Verhältnis zum „Du“:

  • Interne Kommunikation, zum Beispiel bei Mitarbeitergesprächen oder bei notwendigen Kündigungen (die aus Angst vor der nötigen Mitteilung unterlassen wird). Das gehört auch zur Ehrlichkeit in einer Gemeinschaft.

Das setzt sich in der dritten Dimension der Politik fort:

  • Schmerzhafte Entscheidungen wie Rentenaltererhöhung oder Rentenkürzungen oder Geschwindkeitsbeschränkungen in Deutschland.

 

Politische Schlussbemerkung

Als DER hehre Grundsatz der Kommunikation gilt die Wahrheit.

Heute hilft es oft nicht einmal mehr, die Wahrheit zu sagen. Aus dem ständig vorhandenen Misstrauen und aus der geschürten Verunsicherung ist ein Misstrauen gewachsen, das zu einer allgemeinen Grundstimmung geworden ist. Es ist eine diffuse Angst. Die Tendenz zu negativen Nachrichten, die Bereitschaft, sie zu produzieren und sie zu suchen, hängt mit dieser Angst zusammen.

„Good news are no news, bad news are the story.”

Jede negative Meldung ist eine Bestätigung eines bisher nur vagen Verdachts, der Welt der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft, sei nicht zu trauen.

In der verminten Zone des Misstrauens reagieren dann viele Verantwortliche all zu ängstlich und nutzen nur noch abgeschliffene Phrasen, um ja alle Irrtümer oder falschen Interpretationen zu vermeiden. Das führt zu einer angstvollen, gleichförmigen und mutlosen Kommunikationssprache, die sich auf den Inhalt der Entscheide überträgt. 

Kommunikation heisst Gemeinsamkeit. „Com“ bedeutet zusammen, gemeinsam. Der zweite Teil des Wortes stammt von „munia“, was Obliegenheit oder Amtspflicht bedeutet, was wir im Begriff „municipio“ wieder antreffen.

Der Wortsinn von Kommunikation trägt auch den einen inhaltlichen Kern der Pflicht und der Verantwortung.

Eine verantwortungsvolle Aufgabe der Gemeinschaft besteht darin, sich nicht auseinandertreiben und lähmen zu lassen und dem geschürten Misstrauen entgegen zu wirken.

Die eigene Meinung zu wagen, sich auszudrücken, selbst wenn man sich mal verspricht und sich korrigieren muss.